Die Zukunft des Einzelhandels: Hybrides Shopping, D2C und Kundenbindung 2.0

Der Einzelhandel hat sich in den letzten Jahren in einer nie dagewesenen Geschwindigkeit verändert. Und es scheint nicht so, als würde sich die Entwicklung entschleunigen.

Trend 1: Kundenloyalität und Customer Lifetime Value werden zu den entscheidenden Erfolgskriterien

Kundenloyalität spielt eine immer wichtigere Rolle für Unternehmen. Natürlich ist diese Entwicklung nicht unbedingt neu. Den meisten Unternehmen ist klar, dass die Neugewinnung von Kundinnen und Kunden deutlich teurer ist als bestehende Kundenbeziehungen aufrecht zu erhalten.

Das Problem: Nachhaltige Loyalität zu garantieren wird speziell in der Einzelhandelsbranche für viele Unternehmen immer schwieriger. Einer der zentralen Gründe dafür ist der stetige Vormarsch des E-Commerce.

Im Jahr 2021 lag der Umsatz, der durch Onlinehandel in Deutschland erzielt wurde, bei rund 100 Milliarden Euro. Seit 2000 ist der jährliche Umsatz jedes einzelne Jahr gestiegen.

Der Anteil des Onlinehandels am gesamten Umsatz des Einzelhandels erhöht sich ebenfalls jedes Jahr. Laut den Daten des Handelsverband Deutschland lag er im Jahr 2020 bei 12,6% – eine signifikante Steigerung im Vergleich zu den 10,8% des Vorjahres.

Daten für die USA zeigen, wohin der Weg auch hierzulande gehen kann. Denn dort ist der Anteil des Onlinehandels am Gesamthandel ist mit fast 20% bereits deutlich höher.

Mit einer zunehmenden Verlagerung des Konsumverhaltens ins Internet wird es für Unternehmen des Einzelhandels schwieriger, die Loyalität ihres Kundenstamms zu halten. Dafür spielen verschiedene Faktoren eine Rolle:

  1. Konkurrenz: Sowohl Unternehmen, die bereits seit langem im Onlinehandel vertreten sind als auch solche, die diesen Bereich erst seit kurzem erschließen, sind starker Konkurrenz ausgesetzt. Die Einstiegshürden sind geringer als je zuvor und die Anzahl an E-Commerce Anbietern wächst stetig. Zusätzlich üben mehr und mehr Direct-to-Consumer-Angebote weiteren Druck auf den Einzelhandel aus (mehr dazu in Trend 2).
  2. Steigende Kundenanforderungen: Nachhaltigkeit ist eins der großen Themen der letzten Jahre. Damit einhergehend verändern sich die Anforderungen sowohl an Unternehmen des Einzelhandels als auch an Hersteller. Kunden und Kundinnen legen zunehmenden Wert auf ökologisch und sozialverträgliche Produkte. Lokal, saisonal und verpackungsarm zu kaufen, ist vielen Menschen in Zeiten von Klimakrise und ökologischem Bewusstsein enorm wichtig geworden. Wer als Händler da nicht mithalten kann, verliert besonders bei jüngeren Zielgruppen den Anschluss.
  3. WechselwilligkeitKundinnen und Kunden sind zunehmend schneller bereit, neue Anbieter auszuprobieren. Die langfristige Bindung von Kund:innen wird damit zu einer erfolgskritischen Dauerherausforderung.

 

Für den Einzelhandel heißt das, dass ein höheres Investment in Kundenloyalität unausweichlich geworden ist. Dabei ist jedoch auch Vorsicht geboten. Denn dass es nicht unbedingt einfach ist, ein (erhöhtes) Investment auch tatsächlich in höhere Kundenbindung zu übersetzen, zeigt eine Untersuchung von YouGov. Hier wurden Teilnehmende eines repräsentativen Panels in unterschiedliche Gruppen eingeteilt, basierend auf ihren Weiterempfehlungs-Angewohnheiten. Das Erstaunliche: Befragte, die Marken häufig weiterempfehlen und an vielen Treueprogrammen teilnehmen, gaben überproportional häufig an, gerne neue Marken auszuprobieren.

Für Unternehmen kommt es daher vor allem drauf an, gezielt dort zu investieren, wo mit einem entsprechenden Return on Invest gerechnet werden kann. Und genau diese Stellen in der Customer Journey zu finden, verlangt eine umfassende Datengrundlage, wie sie zum Beispiel im Rahmen einer Customer Experience Management Strategie geschaffen werden kann.

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Trend 2: D2C-Modelle werden zur ernsthaften Konkurrenz für Filialisten

Auch etablierte Hersteller erschließen den E-Commerce Bereich immer intensiver. Das große Stichwort lautet hier: Direct-to-Consumer (D2C). D2C bezeichnet eine Vertriebsstrategie, bei der Hersteller ihre Produkte direkt an die Endverbrauchenden verkaufen. Damit überspringen sie den Einzelhandel als traditionellen Vertriebsweg.

Allein in den USA ist die Anzahl der D2C-Käufe im Jahr 2020 um über 24% gestiegen. Ein Beispiel für eine deutsche D2C-Erfolgsgeschichte ist Birkenstock, die ihr Produktportfolio im eigenen Onlineshop anbieten. Ein internationales Beispiel für einen gestärkten Fokus auf D2C-Modelle ist der Sportartikel-Hersteller Nike. Nike kündigte bereits vor einigen Jahren an, eine Vertriebspartnerschaft mit Amazon zu Gunsten einer direkteren Verkaufsstrategie aufzukündigen.

Warum Unternehmen zunehmend D2C-Kanäle aus- und aufbauen, wird klar, wenn man einen Blick auf das geänderte Verhalten von Konsument:innen wirft. Laut einer aktuellen Studie von Capgeminihaben 2021 bereits 41% der Befragten angegeben, direkt bei einem Hersteller gekauft zu haben. Ein noch größerer Anteil von über 50% gab außerdem an, sich in Zukunft vorstellen zu können, direkt beim Hersteller zu kaufen. Vor allem Verbraucher:innen aus der Gen-Z und Millenials haben dabei D2C-Angebote überproportional wahrgenommen. Hier lag der Anteil derer, die bereits direkt bei einem Hersteller bestellt haben bei 68%, respektive 58%.

D2C stellt dabei natürlich vor allem für den traditionellen Einzelhandel eine Herausforderung dar. Denn die Marken, die vorher nur durch die Läden der Filialisten zu erwerben waren, gibt es jetzt auch zunehmend direkt beim Hersteller. Der Einzelhandel bekommt Konkurrenz durch genau die Marken, die er selbst auf den (virtuellen) Ladenregalen führt.

Was das für die Branche heißt, wird ebenfalls durch die bereits angesprochene Studie von Capgemini deutlich. Denn der Grund dafür, dass D2C-Angebote zunehmend in Anspruch genommen werden, sind hauptsächlich die besseren Einkaufserfahrungen, die dadurch geboten werden.

Filialisten müssen also vor allem in Hinblick auf die Erfahrungen, die Kundinnen und Kunden beim Shoppen machen, nachbessern. Systematisches Customer Experience Management (CXM) muss in Zukunft großgeschrieben werden.

Trend 3: Hybride Shopping-Erlebnisse sind hier um zu bleiben

Viele Entwicklungen, die sich in den letzten Jahren im Schnelldurchlauf ihren Weg gebahnt haben, werden bleiben. Dazu gehört auf der einen Seite eine noch stärkere Orientierung hin zu E-Commerce Anbietern. Das Spektrum der Warengruppen, die online gekauft werden, erweitert sich ständig. Lebensmittel, Pflegeprodukte, Bekleidung – all das hat einen festen und wachsenden Platz im Online-Shopping erhalten.

Auf der anderen Seite ist das Bedürfnis nach In-Store Erfahrungen aber nicht verschwunden. Im Gegenteil. Die mangelnde Möglichkeit in stationären Ladengeschäften shoppen zu gehen, zu interagieren und Produkte tatsächlich in der Hand halten zu können, bevor man sie kauft, das hat vielen Menschen gefehlt.

Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass Konsumenten und Konsumentinnen ein klares Bedürfnis nach „analogen Einkaufserlebnissen“ äußern. Verstärkt wird das noch durch einen weiteren Trend, den wir weiter oben bereits angesprochen haben: Nachhaltigkeit.

Eine Auswirkung des Bedürfnisses nach nachhaltigen Shopping-Erlebnissen ist ein zunehmendes Bedürfnis nach regionalen und saisonalen Angeboten. In dieser Hinsicht können die meisten Online-Anbieter örtlichen Läden nicht das Wasser reichen. Umgedreht haben kleinere Läden durch den vereinfachten Einstieg in die Welt des E-Commerce aber zunehmend die Chance, ihre Zielgruppen online zu erweitern.

Es zeigt sich also, dass Onlineshopping weiter an Bedeutung zunimmt. Das ist nichts Neues mehr. Aber es entstehen gleichzeitig auch neue Bedarfe für offline Shopping-Erlebnisse – teilweise getrieben durch das Verlustgefühl der Pandemie, die genau diese Erlebnisse unmöglich gemacht hat.

Und einige Unternehmen antworten bereits auf dieses Bedürfnis. So hat der vormals reine Online-Brillenhändler Mister Spex mittlerweile über 40 Filialen in ganz Deutschland eröffnet.

Im Rahmen dessen lassen sich zwei entgegengesetzte Entwicklungen betrachten:

  1. Einzelhandelsunternehmen, die durch Ladengeschäfte vertreten waren, eröffnen digitale Kanäle und beteiligen sich am E-Commerce Markt. Diese Entwicklung ist die häufigere der beiden und bei allen Unternehmensgrößen zu beobachten.
  2. Unternehmen, die als reine E-Commerce Plattformen gestartet haben, eröffnen Ladengeschäfte. Hier geht es vor allem darum, die Bedürfnisse der eigenen Zielgruppe genau zu kennen. Denn seine digitalen Angebote um stationäre Vertriebskanäle zu erweitern, macht bei weitem nicht für alle Unternehmen Sinn.

Welcher Ansatz der richtige ist, unterscheidet sich von Unternehmen zu Unternehmen und von Branchensegment zu Branchensegment. Allgemein gültig ist jedoch, dass die gesamte Einzelhandelsbranche von dieser Entwicklung beeinflusst wird. Sich mit hybriden Shopping-Erlebnissen zu befassen, sollte daher auf der To-Do-Liste nahezu jedes Einzelhandelsunternehmens stehen.