Für Optiker spielt der reine Onlinehandel eine verschwindend geringe Rolle. Laut dem aktuellen Branchenbericht des Zentralverbands der Augenoptiker und Optometristen, werden weniger als 5 % der Brillenkäufe ausschließlich online abgeschlossen. Eine überwältigende Mehrheit der Käufe finden nach wie vor im Ladengeschäft statt.
Und in meinen Augen bietet genau das eine enorme Chance. Nämlich die Chance, noch mehr in den Bereichen zu punkten, in denen Optiker sowieso bereits gut aufgestellt sind: die persönliche Beratung, die individuelle Abstimmung von Produkten und die Präsenz vor Ort.
Denn all diese Kontaktpunkte in der Kundenreise setzen meist ein signifikantes Investment vonseiten der Kunden voraus: Persönliche Beratungsgespräche kosten Zeit, der Gang zur Filiale ebenso und Sehhilfen sind je nach Ausführung oft nicht billig.
Punkten können Optiker also vor allem mit der Erfahrung, die Kundinnen und Kunden machen. Mit dem Gefühl, gut aufgehoben zu sein. Mit der Gewissheit, genau das Produkt gefunden zu haben, das zum eigenen Leben und Lifestyle passt. Und damit es gelingt, den eigenen Kunden und Kundinnen genau diese Experiences zuteilwerden zu lassen, müssen Optiker deren Bedürfnisse kennen. Sobald das nicht mehr der Fall ist, sobald diese Erfahrungen nicht mehr geliefert werden, tätigen Kundinnen und Kunden das oben genannte Investment nicht mehr.
Omnichannel spielt genau hierfür eine entscheidende Rolle, denn durch Omnichannel-Entwicklungen können genau diese Erlebnisse geschaffen und angereichert werden.
Ich möchte das Ganze an einem Beispiel verdeutlichen:
Nehmen wir an, eine Kundin kommt zum ersten Mal in die Filiale und ist auf der Suche nach einem Brillengestell. Sie wird recht schnell von einem Fachangestellten zum spontanen, persönlichen Beratungsgespräch gebeten. Nach der Anprobe einiger Modelle, bedankt sie sich und ist im Begriff zu gehen. Sie wird jedoch noch gebeten, eine schnelle Umfrage auf einem extra dafür eingerichteten Tablet durchzuführen. Das macht sie gerne. Und auch ihre E-Mail-Adresse ist sie nach einem netten Beratungsgespräch gerne bereit abzugeben.
Auf Basis des analogen Beratungsgesprächs und dem elektronisch erhobenen Feedback kann der Optiker jetzt eine der oben angesprochenen Erfahrungen erschaffen.
Zuerst wertet er das Feedback aus. Dabei kommt heraus, dass der (potenziellen) Kundin die Brillengestelle alle etwas zu schwer und dominant erschienen. Dadurch, dass der Optiker die Kundin bereits in Persona gesehen hat, teilt er die Einschätzung – hat aber auch bereits eine gute Vorstellung davon, welche Modelle besser zu ihr passen würden. Verfeinert wird diese Einschätzung wiederum von den Angaben aus dem Fragebogen.
Die passenden Modelle sucht er direkt auf der eigenen Website heraus und lässt sie der Kundin zukommen – eine persönliche, individuelle Empfehlung auf digitalem Wege. Zusätzlich fügt er der E-Mail einen weiteren, ebenfalls sehr kurzen Fragebogen bei, in dem die Kundin nochmal um eine Meinung zu den Vorschlägen gebeten wird. Ihr wird in diesem Kontext auch die Möglichkeit gegeben, elektronisch direkt einen Termin auszumachen. Diese Möglichkeit nimmt sie gerne wahr, denn sie hat das berechtigte Gefühl, dass man sich um sie kümmert.
Zum Beratungsgespräch hat der Optiker bereits die vorgeschlagenen Modelle zur Anprobe bestellt. Die Kundin ist glücklich und bekommt die neue Brille samt Gläsern einige Tage später per Post geliefert.
Nach einigen Wochen wird ihr sie per SMS wieder um Feedback gegeben. Nach einer bisher hervorragenden Customer Experience fällt das sehr gut aus. Aber…
… eine Kleinigkeit hat Sie dennoch gestört: Während Sie auf ihre Brille gewartet hat, gab es keine Möglichkeit, den Bestellstatus zu verfolgen. Der Optiker hat durch dieses Feedback ein Insight gewonnen und kann sich direkt an die Verbesserung machen.